Grün wie Hoffnung: Cali - Chicó

03.06.2007 - Vor Ort im Estadio Pascual Guerrero

Fotos & Bericht vom Halbfinalspiel der Copa Mustang Apertura 2007 zwischen Deportivo Cali und Boyacá Chicó.

von Christian Piarowski

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Cali ist mit 2,2 Millionen Einwohnern die drittgrösste Stadt Kolumbiens. Sie liegt im Südwesten des Landes. Am Fusse der Westkordillere gelegen, herrscht dort ein tropisch warmes Klima. Der Río Cali teilt die Stadt in zwei Hälften. Im Norden befinden sich die Viertel der upper class, während im Süden die finanzschwachen barrios liegen. In den 80er/90er erlangte die Stadt weltweite Berühmtheit durch das ansässige Drogenkartell. Dieses ist mittlerweile zwar längst zerschlagen; Probleme bestehen aber weiterhin. Die Jahre der Gewalt durch narcos, Guerrilla und Paramilitärs haben Spuren hinterlassen. Über 200.000 Schusswaffen sind in der Stadt registriert. Mit bereits über 730 Morden in den ersten fünf Monaten des Jahres ist Cali nicht unbedingt die sicherste Stadt. Dennoch kann man sich als Touri in den meisten Gegenden ziemlich gefahrlos bewegen. Nachts ist etwas mehr Vorsicht geboten, aber es gibt keinen Grund zur Paranoia. Die Stadt ist Salsahochburg und es finden sich mehere Viertel, in denen sich eine Salsateca an die nächste reiht. Wer will, kann die ganze Nacht durchtanzen. Die grösste Gefahr besteht dann darin, sich mit den eigenen Tanzkünsten vor den Einheimischen zu blamieren.

 

Das Stadion Pascual Guerrero ist ein geschlossenes Oval mit Laufbahn. Die drei-etagige Hauptribüne überragt die übrigen Ränge. Es bietet Platz für 45.000 Zuschauer. An diesem schwülen Sonntagabend fanden sich ca. 25.000 Fans ein; scheinbar ausschließlich Anhänger des Heimteams. Gästefans, geschweige denn einen Gästeblock, konnte ich nicht ausmachen. Deportivo teilt sich momentan das Stadion noch mit dem Lokalrivalen América. Depor baut sich allerdings derzeit ein eigenes modernes Stadion mit senkrechten Logentribünen à la Barcelona de Guayaquil , Ecuador oder Universitario de Lima. Das neue Stadion soll noch dieses Jahr fertig werden. Erste Bilder gibt es auf der Homepage des Vereins.

 

Die Partie war von ziemlicher Wichtigkeit für beide Teams. Die Phase der Reclasificación, in der wie gewohnt Jeder gegen Jeden spielt (nur Hinspiel), war bereits abgeschlossen. Die ersten acht Teams der Abschlusstabelle spielen anschliessend in zwei Gruppen zu vier Teams erneut gegeneinander, dieses Mal mit Hin- un Rückspiel. Die beiden Gruppenersten ermitteln anschließend im Finalísima in Hin- und Rückspiel den Meister der Copa Mustang I 2007. Gleiches Prinzip gilt für die Rückrunde, die Copa Mustang II.

 

Cali war vor dem Spiel Gruppenerster mit 7 Punkten, Chicó lag mit 6 Punkten auf Rang Drei. Bei zwei ausbleibenden Partien galt es für beide Teams zu gewinnen. Bei einem Unentschieden konnte Atl. Nacional de Medellin (ebenfalls 7 Pkt.) der lachende Dritte sein. Andererseits konnte bereits die Entscheidung fallen; nämlich wenn Cali gewann und Nacional verliert. Dann wäre zwar theoretisch am letzten Spieltag noch eine Punktgleichheit drin, doch wäre Cali weiter, da es die Reclasificación gewonnen hatte.

 

Das Spiel begann rasant. Schneller, technisch feiner Fußball mit ansehnlichen Kombinationen und großem Offensivdrang. Vor lauter Offensiveuphorie ging allerdings mitunter die Zuordnung verloren. Cali war in den ersten Minuten das überlegene Team und ging bereits nach sieben Minuten in Führung nach einem fürchterlichen Mißverständnis in der Hintermannschaft der Gäste. Das Tempo blieb in den gesamten ersten 45 Minuten hoch. Mit zunehmenden Spielverlauf kam auch Chicó besser zurecht. Der Ausgleich kurz vor dem Halbzeitpfiff kam dennoch etwas überraschend. Das Tor erzielte mit einem strammen Schuss ins untere Eck ausgerechnet ein Ex-Spieler von Depor, der die ganze Zeit von einem Pfeiffkonzert eingedeckt wurde.

 

In der zweiten Hälfte war die Partie zerfahren. Chicó stand nun sicher und sorgte mit cleveren Kontern für Gefahr. Depor wirkte durch den Ausgleich geschockt; die Aktionen waren nun hektisch und ungenau. Jetzt machte sich die Bedeutung der Partie bemerkbar. Mit jeder Minute, die verging, wirkte das Heimteam verzweifelter. Auch auf den Rängen machte sich nun nervöse Unruhe bemerkbar. Einen Gewaltschuss in der 72. Minuten aus 20 Metern, aus reiner Verzweiflung abgegeben, konnte der Gästetorwart lediglich abklatschen, der Nachschuss saß dann. Nun dominierte Cali wieder souverän und legte nur wenige Minuten später nach. Die Partie war gelaufen, auch wenn Chicó nicht aufgab und bis zuletzt versuchte, einen Treffer zu erzielen. Für die Gäste war damit der Traum vom Finaleinzug beendet. Cali dagegen hatte es weiterhin selbst in der Hand, am nächsten Spieltag die Entscheidung herbeizuführen. Es blieb spannend, denn auch Nacional konnte klar gewinnen.

 

Teilung auch im Stadion?

Wie geschrieben, gab es scheinbar keine Gästefans. Der Großteil der anwesenden Fans trug das grüne Heimtrikot. Zum Intro gab es Rauch von der Gegentribüne, Papier von der Nord und kräftige Gesänge von der Süd. Die Zweiteilung der Stadt schien sich im Stadion widerzuspiegeln. Die Nordkurve war mit zahlreichen Bannern und Fahnen geschmückt und mehrmals wurde auch eine Blockfahne präsentiert. Der kleine Trupp Supportwilliger machte dort vor allem durch eine grosse Trommel Lärm und die Jungs schwenkten unermüdlich ihre Fahnen, während ihre Gesänge kaum zu hören waren. In der Südkurve gab es außer den grünen Trikots keinerlei Blockschmuck, dafür wurde hier die 90 Minuten über lautstark gesungen und immer wieder auch sehr kräftig gepogt. An dem Support beteiligte sich dort die ganze Kurve. Nach dem Ausgleich gab es eine rüde Schlägerei zwischen ein paar Fans und zwei Polizisten, die in den Block gekommen waren und denen die martialisch amutende Sondereinheit zur Hilfe kommen musste. Die Situation beruhigte sich daraufhin und ein Fan wurde abgeführt. Kurz davor war ein Anhänger aus der Kurve vom Roten Kreuz abtransportiert worden. Man mache sich seinen Reim.

 

Einige Lieder glichen denen aus den anderen Ländern im Süden, doch es gab auch eine ganze Reihe an Songs, die ich bisher noch nicht gehört hatte. Auch in Kolumbien wird eher gesungen als geschrien und die Lieder werden mehrfach wiederholt bevor ein neues angestimmt wird. Tribüne und Gegentribüne meldeten sich Hin- und Wieder mit kräftigen Cali! Rufen. Vor Beginn der Partie wurde die Nationalhymne gespielt. Alle im Stadion standen, sangen aber nicht mit; die Südkurve begleitete die Zeremonie mit eigenen Gesängen. In der ersten Halbzeit war bis zum Gegentor recht gute Stimmung. In der zweiten Halbzeit knisterte es vor Nervosität auf der Tribüne. Nach dem neuerlichen Führungstreffer dann zunächst hoffnungsvoller Jubel und nach dem 3:1 dann ausgelassene Partystimmung auf allen Tribünen. Später präsentierten die Depor-Fans stolz ihre Trikots in den Bars und Restaurants der Salsameilen. 

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Deportivo Cali 3:1 Boyacá Chicó, Estadio Pascual Guerrero, Cali, Sonntag, 03.06.2007 - Cuadrangulares Apertura 2007, Primera A (Copa Mustang - 1. Liga)

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