Tradition gewinnt: Boston River - Cerro Porteño

26.07.2017 - Vor Ort im Estadio Parque Central

In Montevideo trafen Boston River und Cerro Porteño im Stadion von Nacional zum Rückspiel aufeinander - Fotos + Bericht

von Christian Piarowski

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Die Gründungsdaten von Boston River (1939) und von Cerro Porteño (1912) mögen durchaus eine Partie zweier Vereine mit viel Historie und Tradition vermuten lassen, doch könnte ihre Entwicklung nicht unterschiedlicher verlaufen sein. Während die Gastgeber aus Montevideo in Uruguay praktisch nie eine Rolle spielten, gilt Cerro Porteño aus Asunción, trotz fehlender internationaler Titel, in Paraguay zu den größten Vereinen und spielt das landesweite Clásico gegen Olimpia aus.

 

Darüber hinaus ist Boston River erst in den letzten zwei Jahrzehnten wieder auf der erweiterten Fußballbühne Uruguays erschienen, dies zuletzt allerdings im großen Stil. Denn seit dem 2009 der Verein sich mittels argentinischer Geldgeber zu einer Kapitalgesellschaft umwandelte, der bis dahin erst zweiten überhaupt im Lande, gelang der Durchmarsch von der 2. Liga in die internationalen Wettbewerbe.

 

Rein sportlicher Erfolg bedeutet in Uruguay aber nicht automatisch Zuschauerzuspruch, und so griff der Verein zum Rückspiel auf das in Uruguay von kleinen Vereinen in Copa-Wettbewerben schon lange erprobte Mittel der niedrigen Eintrittspreise zurück, soweit das seitens der CONMEBOL möglich ist. Der südamerikanische Verband hatte in der Vergangenheit nämlich schon uruguayische Teams zu Strafen verdonnert, da diese Preise unterhalb der Vorgaben ansetzten.

 

Hammerpreise für die Gäste

200 uruguayische Pesos (6 Euro, am 26.7.2017, und auch im Vgl. zu lokalen Lebenskosten und anderen Ticketpreisen ein Schnäppchen) kostete der Eintritt für normale Zahler, egal, ob hinterm Tor oder auf der Haupttribüne. Kinder unter 12 durften umsonst rein, wie auch Logenbesitzer von Nacional. Darüber hinaus zahlten Vereinsmitglieder sowie Mitglieder anderer Vereine nur die Hälfte, dies aber auf getrennten Tribünen.

Desweiteren wurde eine Twitter-Kampagne gestartet, bei der quasi jeder, der es wollte, beim Ticketerwerb im Vorverkauf, persönlich lobend erwähnt und gefeiert wurde. Außerdem ging es über alle Medien, dass Boston an diesem Tag ganz Uruguay sei... Nicht völlig verkehrt, denn die Vertreter Uruguays sind 2017 ähnlich erfolgreich wie die Chilenen. Neben Boston war nur noch Nacional in der Libertadores am Start und sollte wie Boston nach dieser Runde Adé sagen.

 

Denn das erhoffte Wunder blieb aus. Im Gegenteil; die Gäste waren derartig überlegen, dass man sich fragen musste, wie das Hinspiel nur 2:1 für Cerro ausgegangen war. Klar, war es da eine andere Ausgangssituation gewesen, aber dennoch war beim Rückspiel ein Zweiklassenunterschied nicht zu übersehen. Ähnliches galt für das Geschehen auf den Tribünen. Während die recht beachtliche Zuschauerzahl dann doch ein wenig überrasche mochte, waren erwartungsgemäß einzig die Gästefans zu hören.

 

Deren Mob bestand gefühlt zur einen Hälfte aus angereisten Barras und zur anderen aus ausgewanderten, in Uruguay lebenden Migranten. Während erstere noch die üblichen "Hilfen" bezüglich der Eintrittskarten bekommen haben mögen, mussten die Normalos der Gäste mal eben 30 Euro für die Hintertorkarte zahlen. Kein Wunder, dass immer weniger Gäste in den den südamerikanischen Wettbewerben zu sehen sind, selbst bei Duellen zwischen geographisch relativ nahen Gegnern. Insgesamt dennoch ein guter Mob, der durchweg seinen Support bot und die 90 Minuten gut und abwechslungsreich für die einzige Stimmung sorgte.

 

Die echten Boston-Fans unter den Zuschauern freuten sich aber ehrlich über den Ehrentreffer. Wer weiß, wie lange ihr Höhenflug noch anhält. In der Copa jedenfalls war vorerst nach vier Spielen Schluss.

 

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Boston River (URU) 1:4 Cerro Porteño (PAR), Estadio Parque Central, Montevideo, Uruguay, Mittwoch, 26.07.2017, 21:45, Rückspiel, Segunda Fase CS 2017

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