Traumatherapie Teil I: Brasilien - Paraguay

27.06.2019 - Copa América 2019

Brasilien musste trotz Überlegenheit gegen Paraguay ums Weiterkommen zittern.

von Christian Piarowski

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Brasilien gegen Paraguay im Viertelfinale der Copa America. Das gab es zuletzt in Argentinien 2011, mit einem unrühmlichen Ende für die Seleção. Trotz der Teilnahme von Neu-Star Neymar quälten sich die Brasilianer damals in 90 Minuten zu einem torlosen Unentschieden, was den direkten Gang ins Elfmeterschießen bedeutete.

Dort begann aber erst das eigentliche Drama. Selbst vom Punkt gelang kein Treffer. Alle vier Schützen versagten teils kläglich. Die Paraguayer versemmelten zwar auch ihren Auftaktelfer, trafen aber schließlich zweimal, zogen damit ins Halbfinale ein und später erneut ohne regulären Treffer sogar ins Finale.

 

Im Jahr 2019 waren die Voraussetzungen allerdings etwas anders. Neymar fiel verletzt aus und Brasilien zeigte sich im Turnierverlauf bis dato fest entschlossen, diese Copa als Gastgeber zu gewinnen, um so wenigstens etwas die historische Scharte der Heim-WM 2014 vergessen zu machen. Wie im letzten Gruppenspiel begannen die Gastgeber auch forsch und mit stetem Vorwärtsdrang. Da waren die meisten Zuschauer aber noch gar nicht in der Arena, sondern noch am Trinken vor den Toren,wo sich sich einen Bierbude an der anderen reiht, allesamt in Farben von Gremio, dessen Heimat die 2012 mit einem Spiel gegen den HSV eröffnete Arena ist.

 

Dort wurde reichlich gebechert und gesungen, wobei mehr Gremio-Shirts als gelbe Brasil-Trikots zu sehen waren. Auch Träger der sonst verhassten Lokalrivalen Internacional waren zu erblicken, allerdings weniger verweilend. Schon draußen war zu sehen, dass viele der Anwesenden, vor allem Jungs aus dem eher einkommensschwachen Viertel Humaita, nicht wirklich ins Stadion wollten, sondern einfach die Gelegenheit zur Party unter der Woche nutzen wollten und nur dem Spiel beiwohnen würden, sollte sich ein echtes Schnäppchen ergeben.

Offiziell war ausverkauft, doch die Schwarzmarkthändler hatten mal wieder einen schwarzen, eh, schweren Tag, wie ihre mit jeder verstreichenden Minute verzweifelter werdenden Rufe bezeugten. Denn so richtig hatte die Brasilianer noch nicht das Copa-Fieber gepackt. War ja auch erst Viertelfinale, und das gegen Paraguay. Letztere hatten schon in der gesamten Copa kaum Anhang präsentieren können, was an diesem Tag nicht anders war.

 

So begann das Spiel vor bestenfalls zu zweidrittel gefüllten Rängen. Es dauerte eine Viertelstunde, bis sich die Reihen der hochmodernen Arena füllen sollten, auch wenn entgegen der offiziellen Zahlen dennoch etliche himmelblaue Schalensitze leer bleiben sollten. Aufgrund des Verbots von Fahnen und Banner über 1,50 Meter Länge wirkte das Stadion wie bei dieser Copa üblich kalt und nackt. So richtig packende Stimmung sollte sich auch nie wirklich entfachen, auch wenn die Seleção ein durchaus ansehnliches Spiel bot. Gelegentlich begann das gelangweilte Publikum gar lauthals den bekanntesten Schlachtruf ihres Vereins anzustimmen und ein langgezogenes „Greeeemiooo“ war zu hören. Viele Fußballfans in Brasilien entwickeln nun mal Leidenschaft eher für ihren Verein als für die Nationalmannschaft.

 

Auf dem Platz herrschte dagegen eine klare Angelegenheit. Die Seleção rannte unermüdlich an und es schien nur eine frage der Zeit zu sein, bis die Kugel wie gegen Peru im Netz zappeln und die Paraguayer ihre Rolle als Opfer und Sparringspartner annehmen würden. Doch Metall, Schiri und VAR zeigten sich dagegen. Oder wurde das ganze Glück etwa gegen Peru verballert? Die Minuten verronnen und plötzlich stand die 90 an der Anzeigetafel. Abpfiff! Elfmeterschießen! Wiederholung des Traumas?

 

Diesmal zeigte sich Brasilien allerdings auch vom Punkt entschlossen und nahm den Sieg mit, der aufgrund des Spielverlaufs auch mehr als verdient war.

 

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Brasilien 0:0, 4:3 i.E. Paraguay, Arena do Grêmio, Porto Alegre, Brasilien, Donnerstag, 27.06.2019, 21:30, Viertelfinale, CA 2019

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