Der Auftakt: Uruguay - Peru

26.06.2007 - Copa America 2007

Fotos & Bericht vom Auftaktspiel der Copa America 2007 zwischen Uruguay und Peru im Estadio Metropolitano von Mérida, Venezuela.

von Christian Piarowski

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Vorgeplänkel



Mérida, la ciudad de los caballeros, (Die Stadt der Gentlemen), liegt im Südwesten Venezuelas eingebettet zwischen steilen Andenbergen. Die Stadt hat ein angenehmes Klima und ist eines der Hauptouristenzentren des Landes. Reisende kommen hierher, um in den Bergen auf Trekkingtour zu gehen, zum Paragliding, Mountainbiking oder Rafting. Die touristische Infrastruktur ist bestens ausgebaut. Als Universitätsstadt gibt es in Mérida zudem ein lebhaftes und dennoch unprätentiöses Nachtleben. Dieses lässt sich umso besser geniessen, da Mérida zu den sichersten Städten Venezuelas gehört.


Uruguay - Perú war das erste Spiel auf dem Kalender der Copa América. Die Eröffnungszeremonie fand jedoch erst eingie Stunden später bei der zweiten Partie zwischen Venezuela und Bolivien in San Cristóbal statt. Um Tickets für die Partie in Mérida zu bekommen, hatten Fans bereits einen Monat zuvor tagelang Schlange gestanden, lediglich um sich das Recht auf den Kartenerwerb zu sichern. Mit der zugeteilten Nummer musste sie sich dann erneut stundenlang anstellen, bevor sie ein Ticket in der Hand hatten.

 

 

Für die Organisation des Kartenverkaufs war die Firma Delujo Promociones beauftragt worden. Ich wollte meine Karte über deren Homepage bestellen, doch beim offiziellen Start des Verkaufs im Mai funktionierte erstmal gar nichts. Die Seite wies erhebliche Mängel auf und war nicht vollständig fertiggestellt. Eine Woche später konnte ich endlich Karten erwerben. Das Geld wurde sofort abgebucht; alles schien perfekt. Doch konnte ich dann, anders als angekündigt, plötzlich nicht wählen, ob mir die Tickets zugesandt werden oder ich sie selber abholen wolle. So befürchtete ich nun, die Karten würden nach Deutschland geschickt werden. Ein Dutzend E-Mails blieben unbeantwortet und ein weiteres Dutzend Telefonanrufe war ebenfalls erfolglos, da die Hotline stets besetzt war.


Als ich dann zwei Tage  vor Copa-Beginn in Mérida eintraf, erfuhr ich aus der Zeitung, dass Tickets, die nicht zugesandt worden waren, am Spieltag am Ticketcenter abzuholen seien. Da ich keine Nachricht aus Deutschland über Post aus Venezuela hatte, hoffte ich, meine Karten doch noch zu bekommen. Das Ticketcenter befand sich an der Stierkampfarena, zum Glück nahe des Zentrums. Als ich dort ankam, fand ich zwei lange Schlangen vor. Eine für den Ticketverkauf (hieß es nicht, es sei ausverkauft?) und eine für Jene, die über das Internet gekauft hatten. Erstere bewegte sich zügig, letztere dagegen bewegte sich in 11/2 Stunden ganze zwei Meter, was vor allem einer Gruppe Urus zu verdanken war, die kopfschüttelnd ob der Organisation ein Restaurant aufsuchten udn somit Platz machten.

 

Das Warten in der Mittagssonne war nicht sonderlich erheiternd. Als sich eine weitere halbe Stunde nichts tat, beschloss ich, mich in die andere Schlange zu stellen. So würde ich zwar 15 Euro in den Sand gesetzt haben, aber das war mir egal, denn bei dem Tempo würde ich noch zum Finale dort stehen. Aufgrund der Mittagszeit war gerade wenig Andrang am Verkaufsschalter und nach fünf Minuten war ich bereits dran. Ich bestellte ein Ticket, zückte mein Portemonnaie und öffnete, warum auch immer, meinen Mund, um zu fragen, wo ich denn meine im Net bestellten Tickets für die andere Partie in Mérida abholen könne. Die barsche Antwort: Die würden mir zugeschickt werden. Ich imitierte den barschen Ton und erwiderte, dass es mir einen **** nutzen würde, wenn man mir die Karten nach Deutschland schicke. Jemand bewegte sich im Hintergrund. Aus Deutschland? Sí. Dein Name? ... Und kaum eine Minute später streckte mir eine liebreizende señorita lächelnd einen Umschlag entgegen, der zwei Karten enthielt. Verwirrt gab ich die zweite Karte zurück; sicher ein Irrtum. Einem Deutschen, der in Mérida studierte und ebenfalls in der Internetschlange wartete, teilte ich Geschehenes mit. Er hatte den gleichen Erfolg. Nur sollten wir ja nichts davon erzählen, sonst wäre die Hölle los.


Mit einem deftigem Sonnenbrand im Gesicht kehrte ich ins Hotel zurück. Bereits am ersten Tag in Mérida hatte ich dort einen Peruaner getroffen, der extra für die Copa angereist war. Zwischen mehreren Litern Bier hatten wir Freundschaft geschlossen. Kaum dass ich nun durchgeschwitzt zurück war, kam er, das Gesicht mit den Landesfarben Perus bemalt und dem Nationaltrikot auf dem Leib, aufgeregt angelaufen. Einen Block entfernt formiere sich die peruanische barra. Dort wurde ich freundlich empfangen. Man drückte mir sogleich ein herrlich kaltes Bier in die Hand. Aus Deutschland? Soso. Wie unter Peruanern üblich gab man mir einen Spitznamen; fortan wurde ich nur noch Kaiser gerufen. Welche Ehre. Der neue Name wurde mit einem magendurchbrechenden Schnaps begossen. Keine Widerrede! In die vor Vorfreude bebende Gruppe hatte sich plötzlich ein Kamerateam gemischt. Peruanisches TV. Die barra sang und schickte Grüsse in alle Welt. Dann wurde der blonde Gringo entdeckt und sofort vor die Kamera gezerrt. Oh mein Gott, ich hoffe, niemand in Peru hat mein anfängliches Gestammel gesehen.

Bus gekapert


Die Gruppe Peruaner, fast ausschliesslich in Mérida ansässig, zog zunächst mit einer riesigen Nationalflagge singend durch die Innenstadt. Die Venezulaner blieben zum Teil mit blankem Erstaunen im Gesicht stehen, machten Fotos, klatschten Beifall oder schüttelten verblüfft den Kopf. Man konnte ihnen ansehen, dass sie in der Stadt zuvor noch nie eine singende Gruppe Fussballfans gesehen hatten. Fussball ist in Venezuela nicht die populärste Sportart; Baseball ist mit Abstand die Nummer 1. Obwohl ich dies zuvor wusste, hatte ich, von der WM in Deutschland verwöhnt, auch in Venezuela ein buntes Treiben mit Fans aus allen Ländern erwartet. Doch noch mittags am Spieltag hatte man in der Stadt nirgends den Eindruck, dass dort in wenigen Stunden die Copa América beginnen würde. Der peruanische banderazo (Fahnenmarsch) war das erste diesbezügliche happening. Für den restlichen Weg ins Stadion, das ziemlich weit vom Zentrum entfernt liegt, wurde kurzerhand ein freier Stadtbus gekapert gechartert.


Das Estadio Metropolitano (42.000) wurde eigens für die Copa gebaut und das Umfeld glich noch ein wenig einer Baustelle. Auch war das Stadion nicht ganz fertiggestellt. So fehlte etwa das Dach über einer Hintertortribüne. Die Wegweiser benutzten ein gänzlich anderes System, als auf den Eintrittskarten ausgewiesen. Viele fragende Gesichter überall und Anweiser, die sich selbst nicht so recht auszukennen schienen. Der Zugang zur gesamten Haupttribüne erfolgte über einen schmalen Eingang. Die Sicherheitskontrollen waren minutiös und zeitraubend; folglich ergab sich eine lange Schlange. Mal wieder. Viele Zuschauer kamen erst nach Anpfiff zu ihren Plätzen. In der Wartezeit musste ich einem jungen Voluntär auf seinem Fragebogen bezüglich der Organsiation leider ein "sehr schlecht" ankreuzen. Die Peruaner versicherten mir, dass die Copa in Peru deutlich besser organsiert gewesen sei.

 

Im Laufe der Copa sollte mir einige Sportjournalisten dies bestätigen. Im Stadion dann die nächste Überraschung: viele Plätze blieben leer. Dabei hatte es lange vorher gehießen, es sei ausverkauft und einige Verzweifelte hatten Karten auf dem Schwarzmarkt erworben; mit dem üblichen Aufpreis. Das Abspielen der Hymnen erfolgte mit einigen Pannen und Aussetzern. Dann begann endlich das Spiel.


Die ersten 20 Minuten war ich angesichts der Stimmung schier sprachlos: es herrschte absolute Stille. Die Zuschauer unterhielten sich angeregt, aßen, auf den Gängen herrschte reges Treiben, Leute kamen oder holten sich Getränke, man begrüsste sich, wie geht's...nur das Spiel schien niemanden zu interessieren. Ich musste aufs Feld schauen, um zu glauben, dass dort die Partie wirklich bereits begonnen hatte. Die Atmosphäre sollte sich über die gesamte Partie nicht ändern. Die Peruaner meldeten sich gelegentlich zu Wort, die Welle machte ein paar Mal die Runde, die Tore wurden bejubelt und gelungene Spielzüge fair beklatscht. Nach dem Spiel gab es ein Feuerwerk. Ansonsten Ruhe, nur gestört durch das Knistern von Chipstüten. Mein erstes Copaspiel. Ich war krass enttäuscht. Einer Gruppe Stuttgarter, eigens für die Copa mit selbstkreierten gelben T-Shirts angereist, stand die Enttäuschung derart ins Gesicht geschrieben, dass ich mich nicht getraute, sie zu belästigen. Ich sollte sie später andernorts wiedertreffen.


Auf dem Feld dagegen entwickelte sich eine interessante, wenn auch nicht hochklassige Partie. Peru spielte taktisch clever und kontrollierte die Urus. Letztere waren zwar bemüht aber in der Offensive zu einfallslos. Löblich, dass sie bis zum Schluss alles gaben. Die Peruaner kamen gefährlicher vor das Tor und nutzten ihre Chancen eiskalt. Das 2:0 durch Mariño war ein Traumtor. Insgesamt ging der Sieg auch in der Höhe in Ordnung.

 

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Uruguay 0:3 Peru, Estadio Metropolitano, Mérida, Venezuela, 26. 06. 2007, 18:05, Gruppe A, 1. Spltg.

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