Vom Traum zum Trauma: America - Olaria

30.03.2014 - Vor Ort bei den Staatsmeisterschaften

Fotos und Kurzbericht vom Série-B-Halbfinalspiel des Campeonato Carioca zwischen America und Olaria im Estádio Giulite Coutinho

von Christian Piarowski

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Der America Football Club do Rio de Janeiro wurde 1904 gegründet und kann auf eine Geschichte voller Höhen und Tiefen zurückblicken. Zu den Derbies zwischen America und Flamengo, Vasco oder Fluminense kamen mehrfach über 100.000 Zuschauer ins Stadion. Sieben Mal gewann der Verein das Campeonato Carioca und startete zwanzigmal in der höchsten Spielklasse der landesweiten brasilianischen Meisterschaft, der Série A des Campeonato Brasileiro. Doch das liegt alles weit zurück. Mittlerweile spielt America nicht einmal in der 4. Klasse des Brasileiro, selbst auf Staatsebene dümpelt man in der 2. Liga des Campeonato Carioca.

 

Auf der Tribüne zeigt sich Rio

Den Glanz alter Zeiten bekommt man aber dennoch zu spüren, wenn man ein Spiel im neuen Stadion des Vereins in Mesquita, im nördlichen Vorortgürtel Rios, weit weg vom Heimatviertel Tijuca, besucht. Dort trifft man dann auf viele alte Männer in roten Trikots, die mit derselben Leidenschaft wie vor Jahrzehnten vor dem Spiel Papierrollen austeilen, trommeln und singen und zum Intro eine Blockfahne ausbreiten. Sie kommen mit den Enkeln, man sieht nur wenige Fans der Generation dazwischen. Zumindest, wenn man die Fans beobachtet, die aus dem fast eine Stunde entfernten Viertel Tijuca angereist sind. Auf der anderen Hälfte der überdachten Tribüne, unter der sich alles versammeln, sind die Fans aus Mesquita zu finden. Es sind überwiegend junge Menschen aus dem slumähnlichen Viertel um das Stadion herum, die ihre eigene Fankultur pflegen. Sie haben erst sukzessive zum Verein gefunden, seit der das Stadion im Jahr 2000 in Mesquita eröffnete. Der Kontrast zwischen beiden Gruppen ist augenfällig. Hier treffen nicht allein unterschiedliche Generationen aufeinander, sondern auch zwei Gruppen mit völlig verschiedenen sozialen Hintergründen.

 

Als nach dem Spiel die Jungs aus dem Viertel auf ein paar von den Gästefans, die zum Spielende provoziert hatten, Jagd machen wollten, wurden sie von der Polizei mit vorgestreckter und entsicherte Waffe (scharfe Munition) im Viertel zurückgehalten. Die America-Fans aus Tijuca dagegen durften die Polizeiabsperrung in Richtung Bahnstation passieren. Schwer zu sagen, ob die Polizei dabei nach Hautfarbe aussortierte oder ihre Pappenheimer genau kannte.

 

90 Minuten Vereinsgeschichte

Der Spielverlauf jeedenfalls war eine Art 90-minütiger Zusammenfassung der Vereinsgeschichte. Früh ging America in Führung, die Fans waren eupohrisch und ausgelassen. 2:0 stand es zur Halbzeit. Auch wenn die Gäste etwas mehr Spielanteile hatten und die Tore vor allem Torwartfehlern und dem Instinkt der alten Hasen im Sturm zu verdanken waren, herrschte zur Halbzeitpause das Gefühl, die Partie sei entschieden. America habe das im Griff. Doch von America war im zweiten Durchgang nicht viel zu sehen, die Spieler verwandelten sich zu bloßen Statisten - verschwanden so zu sagen in der Bedeutungslosigkeit. Olaria drehte das Spiel und erzielte wenige Minuten vor Spielende den Siegtreffer, was die Qualifikation fürs Finale bedeute. America hätte ein Unentschieden gereicht.

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America 2:3 Olaria, Estádio Giulite Coutinho, Mesquita, Rio de Janeiro, Samstag, 29.03.2014, 15:00 - Semifinal Campeonato Carioca, Série B (Halbfinale 2. Liga Staatsmeisterschaft Rio)

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