Leidenschaft, Wille, Disziplin

24.07.2009 - Werders Hoffnungsträger Moreno

Die Bemühungen um Claudio Pizarro sind ins Stocken geraten. Ob der Peruaner zum SV Werder zurückkehrt, ist ungewiss. Der Pokalsieger hat mit Marcelo Moreno aber bereits für den Sturm nachgerüstet. Wir stellen den Neuen vor.

von Christian Piarowski

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»Ich bin dankbar, dass Bremen sich erneut um mich bemüht hat. Es gefällt mir hier sehr gut. Ich möchte mich so schnell wie möglich in das Team integrieren und mit Werder Titel holen.« Bereits nach einem der ersten Interviews in Deutschland ist klar, den Ailton-Gedächtnis-Preis wird Marcelo Martins Moreno mit seinen Aussagen nicht gewinnen. Keine markigen Sprüche, kein extravagantes Auftreten, keine Skandale. Die Worte der neuen Sturmhoffnung klingen so, als hätte man ihm vorher geflissentlich eingetrichtert, was er zu sagen habe. Doch wirft man einen Blick auf die noch junge Karriere des 22-Jährigen wird schnell klar, die Worte stammen von ihm, und er meint, was er sagt. Ehrgeiz und Ehrlichkeit, ja fast eine gewisse Demut sind die Markenzeichen seines Charakters, auch wenn er in Bolivien mittlerweile ein Star ist.

 

Aber blicken wir zunächst auf die Anfangsjahre.
Marcelo Martins Moreno wurde am 18. Juni 1987 in Santa Cruz geboren als viertes von sieben Kindern der Bolivianerin Ruth Moreno und dem Brasilianer Mauro Martins. Vom Vater, der für den brasilianischen Verein Palmeiras Sao Paulo spielte, lernte er das Fußballspielen. Erst mit 15 kam er in die Jugendmannschaft des Vereins Oriente Petrolero Santa Cruz, von dem er Fan war. Mit 17 debütierte Moreno bereits in der bolivianischen Meisterschaft. Nach wenigen Spielen kam allerdings das Aus bei Oriente. Der Junge sei zu gebrechlich, meinten damals seine Trainer und legten Marcelo einen Vereinswechsel ans Herz.


Neuanfang in Brasilien
Dieser packte die Koffer und begab sich nach Brasilien. Ein Freund des Vaters vermittelte ein Probetraining in Salvador bei EC Vitoria, das für seine exzellente Jugendarbeit bekannt ist. Marcelo wurde angenommen und spielte fortan in der Jugendmannschaft des Klubs. Es war für den Teenager zunächst nicht leicht, von seiner Großfamilie getrennt zu leben, in einem Land, dessen Sprache er nicht beherrschte. Die Schule musste er wegen der Sprachprobleme abbrechen. Doch er biss sich durch, lernte Portugiesisch und erkämpfte sich einen Platz im Team.

 

Sein damaliger Trainer Chiquinho de Asis unterstützte den Jungen, dem er eine große Zukunft voraus sagte. Nach einem Jugendturnier in Holland delegierte Branco, Weltmeister 1994, der damals als Koordinator für die Jugendauswahlmannschaften tätig war, Moreno kurzer Hand in die U-18 Auswahl Brasiliens. Dies war möglich, da Moreno dank seiner Eltern die doppelte Staatsbürgerschaft innehatte. Was in anderen Ländern mittlerweile zur Tagesordnung gehört, ist in Brasilien durchaus ungewöhnlich. Moreno ist der Erste nicht in Brasilien geborene Ausländer, der es in eine brasilianische Auswahl schaffte.


Bereits damals interessierten sich unter anderem Arsenal London und der PSV Eindhoven für den Nachwuchskicker. Doch Vitoria Salvador handelte schnell und stattete den mittlerweile 18-Jährigen mit seinem ersten Profivertrag aus. Insgesamt schoß Moreno für Vitoria, das zu jener Zeit noch in der 3. Liga spielte, 24 Tore in 36 Spielen. Die hohe Trefferquote weckte das Interesse der brasilianischen Erstligisten.


Folgerichtig wechselte Moreno 2007 für 400.000 US-Dollar zu Cruzeiro Belo Horizonte in die 1. Liga. Eine erfolgreiche Karriere zeichnete sich ab, dennoch blieb der Jungprofi bescheiden. Nach seinem Transferwert befragt, antwortete Marcelo: »Ich weiß nicht, ob ich zwei Millionen Dollar wert bin, aber ich werde daran arbeiten, diese Summe wert zu sein.« Mit diesem Ehrgeiz sollte sich Marcelo bald einen Stammplatz bei Cruzeiro erobern und sich mit seiner bedingungslosen Einsatzbereitschaft  in die Herzen der Fans spielen. Zunächst musste er sich jedoch in Geduld üben, da ihn Trainer Dorival Júnior kaum berücksichtigte. Ohne zu murren, drängte sich Moreno durch starke Leistungen auf. In 32 Spielen für Cruzeiro traf er 21 Mal, mit acht Treffern wurde er zusammen mit dem Paraguayer Cabañas Torschützenkönig der Copa Libertadores der Saison 2008.


Damit rückte Marcelo Moreno in den Fokus europäischer Vereine. Neben Bremen buhlten alsbald Tottenham und der AS Rom um die Dienste des 1,88 Meter großen Angreifers. Gerüchten zufolge soll auch Real Madrid zwischenzeitlich Interesse bekundet haben. Doch letztlich wechselte der heute 22-Jährige für neun Millionen Euro zu Shakhtar Donetsk in die Ukraine. Ein Schritt, den er im Nachhinein bereute. »Für uns Spieler ist es Pflicht, sich an die Gewohnheiten in fremden Ländern anpassen«, hatte Marcelo kurz vor seinem Wechsel zu Shakhtar gesagt. Doch die Umstellung fiel ihm schwerer als gedacht. Die Kommunikation zwischen Moreno und dem Trainer Mircea Lucescu kühlte sich zunehmend ab, bald ließ ihn der rumänische Coach auf der Bank.


Dennoch hört man kein schlechtes Wort von Moreno, kein Nachtreten, nichts. Auch frühreren Mitspielern, Trainern und Vereinen bekundete er stets nur Dankbarkeit, dass sie ihm auf seinem Weg weitergeholfen haben. Und dieser Weg hat ihm bereits den Gewinn des UEFA-Cups eingebracht.


Kinderhilfe statt Flirt mit Schönheitskönigin
Dank seiner Erfolge im Ausland ist Marcelo Moreno in seiner Heimat Bolivien bereits ein Star. Moreno hat sich gegen die brasilianische Nationalelf und für die Auswahl Boliviens entschieden, für die er in 12 Spielen bereits sieben Tor erzielte, sein letztes beim 6:1 gegen Argentinien. In Bolivien ist der Torjäger allerdings unter dem Namen Marcelo Martins bekannt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in dem Andenstaat zuerst der Name des Vaters verwendet wird, während in Brasilien der Name des Vaters an zweiter Stelle steht.


Im vergangenen Jahr wurde er zu Boliviens Fußballer des Jahres gewählt. Ein Fußballturnier für Nachwuchskicker, trägt ihm zu Ehren seinen Namen. Bei seinen Heimatbesuchen wird Marcelo Moreno auf Schritt und Tritt von der Presse verfolgt. Da er außerhalb des Platzes aber bestenfalls mit dem Besuch einer Klinik für Krebskranke Kinder für Schlagzeilen sorgt, dichtete ihm der Boulevard bereits Affären mit verschiedenen Schönheitsköniginnen an. Moreno und die Schönheiten widersprachen jedoch kategorisch. Seine Freundin Gabrielle kann über solche Gerüchte nur lachen. Nach Beendigung ihres Medizinstudiums soll die Brasilianerin nach Deutschland kommen.


Kein zweiter Carlos Alberto
Mit seiner ruhigen, bescheidenen Art passt Marcelo Moreno bestens zu Werder. Dort sind die Erwartungen an den Bolivianer groß. Allein wird Moreno die erfolgreiche Werder-Offensive der vergangenen Jahren allerdings kaum aufrechterhalten können. Bremen hat in den letzten Jahren gute Erfahrung mit Südamerikanern gemacht. Dem Betreuerstaab um Thomas Schaaf gelang es zumeist bestens, die Spieler zu integrieren. Es steht außer Frage, dass Moreno das Potential hat, ebenfalls den Durchbruch in der Bundesliga zu schaffen. Neben seiner Schnelligkeit und guten Technik verfügt er über ein starkes Kopfballspiel und einen ausgeprägten Torinstinkt. Wie hoch die Bremer die Fähigkeiten des Bolivianers einschätzen, zeigt bereits die Leihgebühr von 2 Millionen Euro. Weitere acht Millionen werden fällig, sollte Bremen nach einem Jahr die Kaufoption ziehen. Moreno muss zeigen, wie er mit dem Druck umgehen kann. Vielleicht die schwierigste Situation in seiner Karriere, doch  Neuanfänge hat er ja bereits häufiger geschafft.


»Es braucht Leidenschaft, Wille, Disziplin und viel, wirklich viel, viel Arbeit, um seine Ziele als Fußballer zu erreichen«, verkündete der Angreifer der bolivianischen Presse anlässlich seines 22. Geburtstages im Juni. Worte, die jeder Trainer gerne hört. Ein zweiter Carlos Alberto wird er mit Sicherheit nicht. Thomas Schaaf freut sich auf einen »athletischen jungen Stürmer, der technisch sehr versiert ist, mit diektem Zug zum Tor.«. Auch der Werder-Trainer erinnert in seinen Aussagen wenig an Ailton. Doch Marcelo Moreno hat das Zeug, zuimndest auf dem Platz ähnlich treffsicher zu agieren, wie es einst der Kugelblitz getan hat.