So wird Aufstieg gefeiert II - Sarmiento - Colegiales
19.05.2012 - Vor Ort in der Primera B (3.Liga)
Endlich. Ein entscheidendes Aufstiegsspiel zu vernünftiger Anstosszeit. Wieder voll, wieder Platzsturm, wieder ohne Peinlichkeiten.
von Christian Piarowski
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Endlich. Ein entscheidendes Aufstiegsspiel zu vernünftiger Anstosszeit. Wieder voll, wieder Platzsturm, wieder ohne Peinlichkeiten.
Diesmal hieß der Aufstiegskandidat Sarmiento. Der Verein kommt aus Luján, das etwa 4 Stunden Busfahrt westlich von Buenos Aires liegt, etwas südlich von Pergamino, wo Douglas Haig, der Aufsteiger aus der Vorwoche herkommt. Sollte auch Sarmiento den Aufstieg in die 2. Liga, der Nacional B, schaffen, dann käme es nach über 15 Jahren wieder zum einem Clásico zwischen beiden in einem Wettbewerb der AFA.
Sarmiento, das zuletzt in der Saison 2004/05 in der zweithöchsten Spielklasse des Landes kickte, wird gern als "pecho frio" bezeichnet, ein Verein, der in wichtigen Partien zittrige Knie bekommt und dessen Fans emotionslos seien und niemals ihr riesiges Stadion füllen würden. Eben jenes Estadio Eva Peron macht schon von weitem, wenn man die mächtigen Flutlichtmasten über die flachen Häuser aufragen sieht, den Eindruck, als wäre dieses Bauwerk zu groß für die Kleinstadt (82.000 Einwohner). Wie die meisten Ort in der Pamapa der Provinz Buenos Aires lebt auch Junin vornehmlich von der Landwirtschaft und ist trotz zweier Seen in der Nähe nicht unbedingt ein touristisches Highlight. Evita wuchs nahe der Stadt auf, daher der Stadionname. Ansonsten gibt es einen Obelisken, wie in Buenos Aires, nur deutlich kleiner und eine nette Plaza mit San Martin-Monument, einer Kopie der Mai-Pyramide sowie einige nette Häuser aus der guten alten Zeit.
Das Stadion mit überdachter Haupttribüne und den vier protzigen Flutlichtlichtmasten ist nicht ganz ohne Charme und mit einer Kapazität von knapp 22.000 eines der größten im Landesinnern der Provinz. Falls Sarmiento in der Tat schon seit Jahren seine Heimspielstätte nicht füllen konnte, heute war es soweit. Tickets für die Tribüne gab es nicht mehr und bis zum Anpfiff waren auch die Populares vergriffen, so dass die Hütte voll und selbst auf den umstehenden Bäumen mit Blick aufs Spielfeld kein Platz mehr zu finden war. Es war der vorletzte Spieltag, aber wie auch in Pergamino glich das Spiel einem echten Finale. Sarmiento hatte als Tabellenführer drei Punkte Vorsprung auf den Zweiten...genau, Colegiales. Kein Wunder also, dass es in der Stadt zur Mittagszeit kein anderes Thema als das Spiel zu geben schien. Auch wenn bei einigen Gesprächen der Eindruck entstand, als würde einigen zum ersten Mal bewusst, dass es einen größeren Fußballverein in der Stadt gab. "Immer wenn es drauf ankommt, verlieren sie.", war in aufklärerischen Tischgesprächen zu hören.
Bereits eine Stunde vor Anpfiff herrschte gute Stimmung im Rund. Die Barra hatt sich direkt neben der Haupttribüne platziert und präsentierte viel Papier und etwas Rauch zum Intro. Die Blockfahne wurde auf der Gegengerade aufgezogen, verkehrtherum im ersten Versuch. Die anfängliche Euphorie wich auf den Rängen nach einiger Zeit einer gewissen Nervosität, als Sarmiento begann, gute Chancen zu vergeben und die Gäste zu guten Möglichkeiten kamen. Sollte Sarmiento etwa tatsächlich wieder patzen? Bis zur Halbzeitpause passierte nichts Entscheidendes auf dem Feld. Den größten Beifall beim Gang in die Kabine bekam, wie schon vor der Partie, der Torwart Claudio Flores, der bereits mit Peñarol und Lanús mehrmals Landesmeister wurde.
Als es in Durchgang 2 zum ersten Torjubel kam, begannen die Leute, allmählich an den Erfolg zu glauben und immer mehr auszuflippen. Als dann plötzlich gefühlt ein Tor nach den anderem fiel, ging es endgültig los: Tränen, unkontrolliertes in der Gegend Umhergehüpfe, Haareraufen vor Ungläubigkeit, Umarmungen, Jubelschreie aus tiefster Seele etc. etc.. Kurz vor Abpfiff kletterten die ersten auf die Zäune, wo sie brav warteten, bis der Schiri die Partie beendete. Und dann gab es kein Halten mehr. Es hieß, alle auf den Platz und ruckzuck bis auf die Unterhosen die Spieler entkleiden, welche wiederum der Liebsten noch ein Küsschen durch den Zaun drückten und dann aufs Tor kletterten zum Bejubeltwerden.
Nach etwa einer Stunde war das Stadion wieder leer und die Feierlichkeiten setzten sich in der Stadt fort. Auf dem Weg zurück ins Zentrum waren von überall her Hupen und Jubelrufe zu hören. Nach anfänglichem Autokorso wogte schon bald ein Fahnenmeer die Shoppingmeile Roque Sáenz Peña hinunter zur Plaza 25 de Mayo, wo die Spieler auf dem Dach des Busses ebenfalls Fahnen schwangen. Dann zogen die Fans wieder zur Plaza Fuerzas Armadas, bildeten eine Jubeltraube, bevor es erneut zurück ging. So ging das fröhlich weiter. Strahlende Gesichter, Gesänge und Jubelszenen überall - ganz Junin feierte friedlich und ausgelassen Sarmiento, könnte man leichtfertig schreiben. Doch natürlich gab es auch jene Barbaren, die unberührt ihrem Samstagabendalltag nachgingen mit Friseurbesuch, Shopping und Restaurantbesuch, und amüsiert aber distanziert die grün-weiße Feiermeute betrachteten.
Wir gratulieren Sarmiento zum Aufstieg und der Region zu ihrem zurückgewonnenen Clasico.
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Sarmiento - Colegiales, 19.05.2012, Samstag 16:10, 41. Spltg. 11/12, Estadio Eva Peron, Junín (Provincia de Buenos Aires), Zuschauer: 19.000, ohne Gästefans
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