Stadtduell: Puerto Moreno - Cruz del Sur

23.02.2020 - Torneo Regional

In Bariloche duellierten sich am 4. Spieltag die beiden Vertreter der Stadt im Kampf um den Gruppensieg.

von Christian Piarowski

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Am 4. Spieltag der 1. Phase des Torneo Regional Federal Amateur 2020 trafen in der Zone 4 der Regionalstaffel "Patagonia" Puerto Moreno und Cruz del Sur zum Stadtduell im Municipal-Stadion von Bariloche aufeinander.
Auch wenn beide Vereine aus derselben Stadt kommen, war das Duell weit von der Kategorie "clásico" entfernt.



Der „Clásico“-Partner von Cruz del Sur ist das 79-jährige Estudiantes Unidos. Dagegen wirkt der Cruzado wie ein Grünschnabel, wurde der Verein doch erst 1988 gegründet und zog gar erst Anfang der 1990er aus Ingeniero Jacobacci nach Bariloche um. Das in Sachen Historie also ungleiche Duell wird dennoch aktuell als das "Clásico de Bariloche" betitelt. Der Grund dafür ist, dass beide Vereine in den letzten zwei Jahrzehnten die meisten Titel in Bariloches Ligaverband LiFuBa (Liga de Fútbol de Bariloche) gewonnen haben und natürlich weniger Häufigkeit oder Alter des Duells.

Dann nämlich würde kein Weg an Independiente vorbeiführen, das im Oktober stolze 91 Jahre alt wird, aber erst seit kurzem und nach langer Abwesenheit wieder eine Herrenmannschaft stellt und (noch) in der Primera B, der 2. Liga steckt. Ungeachtet des Alters ist Cruz del Sur überregional derzeit wohl der bekannteste Verein der Stadt, da er Bariloche acht Jahre lang im Federal B repräsentierte, während die Konkurrenz nicht über Teilnahmen am ehemaligen Federal C hinauskam. Aus dieser glorreichen Zeit stammt auch die Barra "La Gloriosa".


Bewegte orange-grüne Historie

Puerto Moreno kann zwar nicht auf viele Titel zurückblicken, nämlich nur einen Meistertitel in der LiFuba, hat dafür aber eine längere und recht bewegte Vereinsgeschichte. So entstand der Klub 1975 infolge der schnell anwachsenden Bevölkerung im vom Tourismus lebenden Bariloche, da die vorhandenen Vereine der steigenden Anzahl an überwiegend jugendlichen Sportinteressierten nicht mehr gerecht werden konnten.

Die Orange-Grünen haben ihr Stammgebiet in den Vierteln an der Küstenstraße Bustillo, entlang derer sich die 150.000 Einwohner zählende Stadt gen Westen ausdehnt. Etwa 10 Kilometer vom Zentrum entfernt hat der Klub Vereinsheim und Spielstätte, eine der wenigen in der LiFuBa mit Rasen. Das Gelände erhielt "El Naranja" dank eines Abkommens mit dem nahen Atomforschungszentrum. Der junge Verein kam rasch zu ersten Erfolgen. Einer Vizemeisterschaft folgte die erste Teilnahme an einem Federal-Turnier, also einer landesweiten Spielklasse, dem Federal C.

 

Doch nach nur neun Jahren stand der Klub bereits wieder vor dem Aus. Aufgrund von internen Streitigkeiten und Querelen an der Führungsspitze verlor er 1984 seinen Platz in der AFA-angehörigen LiFuBa. Die Fußballmannschaften konnten also nur in den weniger reglementierten Barrio-Ligen spielen. Teilnahmen an offiziellen überregionalen Wettbewerben waren damit de facto ausgeschlossen. Überhaupt hielt sich die Institution in den Folgejahre nur schwer über Wasser - nicht nur finanziell.

Dass diese Phase des schnellen Aufblühens und des gleichsam rasanten Absturzes des Vereins nahezu parallel zum Verlauf der Militärdiktatur (März 1976 bis 10. Dez. 1983) erfolgen, soll sich aber nach offizieller Schreibung allein aus den für das ganze Land resultierenden sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen ergeben haben. Viel mehr wird betont, dass Puerto Moreno seit der Gründung bis heute keinerlei von der Norm abweichende Zuwendungen erhielt, weder seitens der Nation noch von lokalen Regierungen, sondern sein Überleben dem teils uneigennützigen Einsatz verschiedener Persönlichkeiten und der Verankerung in der Nachbarschaft gesichert hat.



Die Geschichte von Puerto Moreno gleicht also ein wenig derjenigen Argentiniens: auf Hochs folgen Tiefs und auf diese wiederum Hochs, alles mal mehr oder weniger lang und intensiv. So erkämpfte sich der Verein nach einer der verschiedenen Neuausrichtungen die Wiederaufnahme in die LiFuBa und somit zurück in den Kreis der AFA. Der neue Schwung wurde genutzt, es folgte der ersten Meistertitel, bevor es wieder abwärts ging, wenn auch nicht mehr ganz so tief wie zuvor.

In der letzten Jahren jedoch konnte der Verein als Institution und auch bezüglich der Fußballabteilung, die den Kern des Vereinsleben bildet, ein langsames, aber stetiges Bergauf verzeichnen. Etwas, worauf sie bei Puerto zurecht stolz sind, ist dieser Aufwärtstrend doch selbst erarbeitet. So wurde etwa vornehmlich auf die Ausbildung der Jugendteams gesetzt und dafür bewusst auf gut ausgebildeten Trainer zurückgegriffen, etwas, was im Amateurfußball nicht zur Tagesordnung gehört. Zudem wird konstant daran gearbeitet, auch ohne finanzielle Hilfen seitens des Staates oder von Lokalregierungen die Infrastruktur auszubauen, um so den Mitgliedern weitere Sport- und Freizeitmöglichkeiten zu bieten, allen voran aber, um Kindern aus krisengeschüttelten Familien einen Ort der Geborgenheit und zur Entwicklung eines gesunden Selbstvertrauens zu geben. Diese soziale Aufgabe hat man sich besonders auf die Fahnen geschrieben und nimmt auch gerne Kinder aus Vierteln auf, wo größere soziale Härten regieren als mittlerweile im direkten Einzugsgebiet um „Kilometer 10“.

Auf sportlicher Ebene sind die Früchte dieser Arbeit bereits zusehen, zur Ernte reicht es aber noch nicht. So verpasste Puerto im Dezember die Meisterschaft, als man im Finale unterlag. Gegner war Cruz del Sur, weswegen sich beide Vereine für das landesweite föderale Torneo Regional (4. landesweite Liga) qualifizierten.

 

Guter Start ins Torneo Federal

Da der Nachfolger des Federal C in den ersten Phasen der Saison nach regionalen Gesichtspunkten geordnet wird, um den Vereinen lange Reisen und damit hohe Kosten zu ersparen, fanden sich beide Vereine in der gleichen Vierer-Gruppe wieder, zusammen mit den ehemaligen Federal-A-Dauergästen Alianza Cutral Có und Deportivo Roca. Vom Namen her waren beiden Vertreter der LiFuBa somit eigentlich eher Außenseiter. Roca, beispielsweise, war erst im Vorjahr nach fünf Jahren aus der 3. Liga abgestiegen. Doch zum vierten Spieltag und folglich Rückrundenauftakt führten die zwei Teams aus der Schokoladenhauptstadt Argentiniens die Tabelle an, was eine Qualifikation beider für die nächste Runde bedeuten würde.


Das Spiel stieg im stadteigenen Estadio Municipal, da die „cancha“ von Puerto nicht den verlangten Sicherheitsbestimmungen entprach. Der viel versprechende Turnierauftakt beider Klubs sollte eigentlich vermuten lassen, dass sich das Municipal zu diesem Stadtduell gut füllen sollte. Doch platzen in Bariloche die Stadien in den letzten Jahren nur selten aus allen Nähten.

 

Kenner des lokalen Fußballs meinen, dies läge an der großen Anzahl der Vereine in der Stadt. Auf 5.000 Einwohner käme ein Verein, was die höchste Dichte in ganz Patagonien bedeuten würde, wo der Schnitt bei einem Verein pro 10.000 Einwohner liegt. Dies führe dazu, dass sich die Fans aufteilten und senke den Identifikationsfaktor. Außerdem mindere sich dadurch die Qualität der lokalen Liga mit ihren zwei Spielklassen, mache sie also auch für neutrale Zuschauer wenig attraktiv. Diese würden zudem keinen Unterschied zwischen Spielen in der LiFuBa und in den landesweiten Turnieren machen oder erkennen.



Ins gleiche Horn bliesen zuletzt auch die Verantwortlichen der LiFuBa selbst. So denke man darüber nach, etwa durch Erhöhung der Aufnahme- und Teilnahmebedingungen, wie infrastrukturelle Vorgaben oder Beitragserhöhungen, eine Reduzierung der teilnehmenden Vereine zu erwirken. Ob dies aber wirklich zu einem größeren Zuschauerinteresse führen würde, ist gar nicht vorhersagbar. Andere Ligaverbände Patagoniens haben mit den gleichen Problemen zu kämpfen. So kommen in der Liga de Fútbol Valle del Chubut, die das Ballungsgebiet um Trelew vereint, im Schnitt nur sehr selten mehr als einige hundert Zuschauer. In Caleta Olivia dagegen, wo ebenfalls ein Verein pro 5.000 Einwohner in der offiziellen Liga spielt, haben gleich mehrere Klubs feste treue Anhängerschaften und "barras". Es hängt daher sicher auch viel mit der soziokulturellen Landkarte und der Entstehungsgeschichte einer Stat ab.

 

Zu viele Vereine in Bariloche?

In einer wie Bariloche auf einer großen Fläche aufgeteilten Stadt mit einem ausgeprägtem soziokulturellen Flickenteppich, der sich aus einer volatilen Entwicklungsgeschichte erklären lässt, kommen identitätsstiftende territoriale Konflikte verstärkt zum Tragen, die, wie andernorts in Argentinien auch, ohne langfristig einwirkende, über den Sport hinausgehende soziopolitischen Maßnahmen nur schwer vorstellbar machen, dass sich einzig durch eine Reduzierung der Vereine und eine daraus erhoffte qualitative Steigerung des Sports ein höheres Zuschauerinteresse für bestimmte Vereine oder den Fußball insgesamt entwickeln würde. Ohne Basisarbeit wird sich kaum Zuschauerzuspruch entwickeln lassen oder gar eine Fangemeinde. Selbst wenn nur ein Verein übrig bliebe, würde sich bei überregionalen Spielen wohl kaum „die Masse“ hinter einem hypothetischen FC Bariloche versammeln.

Dies lässt sich auch daran ablesen, dass Cruz del Sur, obwohl der Verein fast ein Jahrzehnt quasi das Aushängeschild der Stadt im landesweiten Fußball war, eben nie mehr als nur eine verhältnismäßig kleine aktive Fangemeinde vereinen konnte. Ob Clásico oder Meisterschaftsfinale, mehr Fans und Zuschauer als an diesem wie für einen Stadionbesuch gemachten sonnigen, warmen und windstillen Spätsommersonntagnachmittag kommen bei Spielen des Cruzado nicht zusammen.

Puerto Moreno dagegen kann eine größere Fangemeinde vorweisen und bekommt selbst bei normalen Auswärtsspielen im 120 Kilometer entfernten El Bolson ein gutes Trüppchen zusammen. Dies ergibt sich zum einen aus der integrativen Arbeit in Vierteln unterschiedlicher Schichtung, eines medialen Hypes um den Verein in Zeiten des Titelgewinns und auch aus den Tagen des vermeintlich tristen Daseins in den unabhängigen „Barrio“-Ligen, in denen sich noch heute funktionierende Netzwerke zu den populären Schichten anderer Viertel der Stadt entwickelten.



Das zeigte sich dann auch an diesem Spieltag im Torneo Regional. Puerto als offizieller Gastgeber versammelte auf der Westtribüne, der für alle Nutzer im Municipal traditionellen Heimseite (Sonne im Rücken), mehr Fans als das üblicherweise im „Muni“ als Gastgeber auftretende Cruz del Sur im Gästebereich. Folglich gab es besonders zu Beginn mehr Rauch, mehr Farben und mehr Stimmgewalt auf Seiten von Orange-Grün. Mit dem Spielverlauf sollte sich das etwas nivellieren, da hier Cruz del Sur aufgrund der reiferen Mannschaftsleistung verdient die Oberhand behielt. Insgesamt fand das Duell auf den Tribünen aber ebenso einen klaren Sieger wie jenes auf dem Rasen. Es ist eben nicht nur die fußballerische Qualität, die für eine gesteigerte Zuschauerzahl und Fan-Leidenschaft sorgt, sondern auch die soziale Arbeit der Vereine in den Vierteln.

Nun ist es keineswegs so, dass Cruz del Sur in der Vergangenheit keinerlei Anstrengungen in diesem Bereich getan hätte, doch will der Verein nun diesbezüglich aufholen. Seit kurzem haben die Cruzados ein eigenes Vereinsheim im Zentrum Bariloches, ein eigenes Stadion soll folgen.


Nachtrag: Für den infrastrukturellen Fortschritt beider Vereine hätte die zum Ende der Gruppenphase erfolgte Qualifikation zur nächsten Runde sicher hilfreiche Aufmerksamkeit bedeutet, wenn, ja, wenn da nicht die Corona-Pandemie für das Aussetzen des Turnieren gesorgt hätte.

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Puerto Moreno 1:3 Cruz del Sur, Estadio Municipal “José Antonio Jalil”, Bariloche (Prov. de Río Negro), Sonntag, 23.02.2020, 18:00, Torneo Regional Federal Amateur 2020, Primera Fase, Región Patagónia, Zona 4, 4. Spltg.

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