K.o. in der letzten Runde: Boxing Club - Círculo Deportivo

09.06.2019 - Torneo Regional Federal Amateur

Weltrekordversuch beim Finalrückspiel im Süden.

von Christian Piarowski

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Boxing Club aus Río Gallegos hatte im neuen Torneo Federal Regional Amateur die Meisterschaft der Region Patagonien gewonnen, Círculo Deportivo aus Nicanor Otamendi bei Mar del Plata jene der Region Pampa Süd. Beide trafen nun aufeinander, um in Hin- und Rückspiel einen der vier Aufsteiger ins Federal A (3. Liga) zu ermitteln. Das Hinspiel hatte Círculo mit 2:0 gewonnen. Die Gastgeber standen also mächtig unter Zugzwang.

 

Bei Temperaturen um sechs Grad im Schatten sorgten die Fans im vollen Estadio Emilio "Pichón" Guatti für einen heißen Empfang mit Rauch und Papier. Im Unterschied zu vielen anderen Partien in diesem Turnier hatte Boxing diesmal sogar eine richtige Barra mit Trommeln und Trompeten, die bis zuletzt ihr Team anfeuern sollte. Auch von den Gästen hatten Fans die knapp 2300 Kilometer Anreise zurückgelegt (Die meisten reisten mit dem Flieger von Buenos Aires aus an, was dennoch 450 Kilometer für eine Strecke sind).

Sie wirkten anfangs etwas verstört, da der Gästebereich auch aus anderen Bereichen zugänglich war. Vor allem als „die Barra Boxings einmarschierte“ war nervöse Ruhe zu spüren. Tscha, im echten Süden geht das Leben eben noch anders zu. Im Laufe des Spiels war der Support auf beiden Seiten vor allem vom Mitfiebern geprägt und dem Spielverlrauf entsprechend wechselhaft.

 

Auf dem Feld begann Boxing nervös und wurde in den Anfangsminuten in die eigene Hälfte gedrückt. Das sah lange nicht gut aus und der Gastgeber hatte auch etwas Glück, dass nicht eine vorzeitige Entscheidung fiel. Doch dann kämpften sich die Spieler in die Partie, nahmen das Heft in die Hand und kamen zu Chancen. Anfangs wurden diese noch bis in den Atlantik geballert. Dann näherte man sich an und ganze dreimal rettete nun das Aluminium die Gäste vor dem Rückstand. Zudem wurde Boxing ein klarer Elfmeter aberkannt, eventuell stand der Schiri schlecht oder war abgelenkt. Erst kurz vor der Halbzeitpause fand der Ball nach einer wirren Szene dann doch seinen Weg ins Tor zur verdienten Pausenführung der Gastgeber.

 

Die zweite Halbzeit gestaltete sich nicht mehr so chancenreich für Boxing. Dazu sorgte der Schiri mit vielen unnötigen Abpfiffen für konstanten Rhythmusbruch. Es gab viel Kampf im Mittelfeld und wenige Offensivaktionen auf beiden Seiten. Die Gäste hatten umgestellt, standen besser und machten die Räume clever dicht. Boxing suchte und suchte, fand die Lücke aber lange nicht. Eine weitere klare Elfmetersituation blieb erneut ohne Pfiff. Doch in der 82. Minute krachte endlich ein Schlenzer vom Strafraumeck ins Dreiangel. 2:0!

 

Da zuvor jeder gespürt hatte, wenn da nicht etwas Außergewöhnliches passiert, wird das nichts, war der Jubel nach diesem Sonntagschuss bei Fans und Torschützen natürlich euphorisch und schier endlos. Eine Last fiel ab. Sollte es doch möglich sein, dass ein Verein aus dem extremen Süden den Weg in den Profifußball schafft? Mit einem Stadion auf -51,6 Grad südlicher Breite wäre das neuer Weltrekord.

 

Doch noch waren wenigstens 10 Minuten zu spielen. Und noch würde es dann nur ins Elfmeterschießen gehen. Im Laufe des Spiels hatte sich der Himmel immer mehr zugezogen und es begann in den Schlußminuten leicht zu nieseln, was das Kälteempfinden nicht gerade erhöhte. Doch niemand ging.

 

Warum auch, der Gegner taumelte, Boxing hatte deutlich Oberwasser und mit jeder Minute, die verstrich, entstand auch im sonst eher nüchternem Publikum eine vorfreudige Anspannung. Niemand traute es sich auszusprechen, doch hier lag was in der Luft. Und Boxing drückte, suchte das dritte Tor, suchte die vorzeitige Entscheidung.

Es liefen die Schlussminuten. Boxing griff erneut euphorisch an, vielleicht etwas zu ungestüm, ohne Absicherung. Um den Zaun sorgten hupende Autos und, ja, LKWs sowie emotionalisierte Fans für Ambiente, wie es das länger im Süden nicht gegeben hatte.

 

Ein klares Foul an der Strafraumgrenze würgte den Angriff der Gastgeber ab. Doch der Pfiff blieb aus. Mal wieder. Stattdessen lief der Konter. In der Euphorie waren fast alle Spieler von Boxing aufgerückt. Der Gegenstoß wollte nicht enden, der Gästestürmer lief und lief und...behielt die Nerven. Der Anschlusstreffer. Der Todesstoß. K.o. mit dem letzten Gegenstoß in der letzten Runde. Der Schiri ließ zwar noch einiges nachspielen, doch es passierte nicht mehr viel.

 

Die meisten Zuschauer nahmen es gefasst. Niemand belästigte die Gästefans bei der Feier mit ihrem Team. Die Spieler Boxings suchten allerdings den Schiri. Nach einer Saison mit mehren Ko-Runden und weit über 10000ten zurückgelegten Kilometern so kurz vor Ende aufgrund einer mehr als zweifelhaften Schirileistung mit leeren Händen dazustehen, sorgte nach Abpfiff für Emotionen, die raus mussten. Völlig verständlich.

 

Als nach langer Feier und Fotos die Gästespieler den Platz verließen und durchs Spalier an der Tribüne der Boxingfans vorbei mussten, wurden sie von jenen, die erstaunlicherweise nicht aus dem Stadion gelassen wurden, mit Applaus bedacht. Was die Spieler anfangs verwunderte, bis sie ebenfalls mit Applaus antworteten.

Doch als dann wenig später der Schiri unter massivem Polizeischutz vom Feld wollte, sah das etwas anders aus. Es flogen ein paar Sachen, die Betreuer der Gastgeber mahnten die Fans, diese rissen sich zusammen und alles blieb im Rahmen.

Großer Respekt an Fans, Spieler und Betreuer von Boxing! Sie feierten später im Vereinsheim zurecht ihre Leistung.

 

An Verein, Spieler und Fans von Circulo Deportivo einen herzlichen Glückwunsch!

 

Persönliche Meinung des Autors:

Die Leistung des Schiedsrichtergespanns in diesem Rückspiel ist bestenfalls als unglücklich zu bezeichnen. Es war nicht die erste fragwürdige Leistungen von Unparteiischen in den finalen Instanzen der federalen Turniere in der Saison 18/19. Es ist kein Geheimnis, dass nicht wenige Vereine des Federal A die Nicht-Qualifikation Boxings mit Erleichterung begrüßt haben dürften. Was im Basketball kein Problem ist, nämlich, dass Vereine aus abgelegenen Regionen, die für Klubs aus Buenos Aires eine weite Anreise bedeuten, Zugang zu den Eliteligen erhalten, scheint im Fußball nicht zu funktionieren.

 

Diese Aussage soll jedoch in keinster Weise die Leistung des Vereins Círculo Deportivo aus Nicanor Otamendi schmälern oder dessen Leistung in Zweifel ziehen. Wer die Spieler und Betreuer bei der Rückreise erlebt hat, kann das nicht ernsthaft behaupten. Den Aufstieg hat sich der Verein, also Spieler und alle, die dort arbeiten, absolut verdient.

Der Schiri mag einen schlechten Tag gehabt oder seine Inspiration zum wilden Gepfeiffe anderswo gefunden haben.

 

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Boxing Club 2:1 Círculo Deportivo, Estadio Emilio "Pichón" Guatti, Río Gallegos (Prov. de Santa Cruz), Sonntag, 09.06.2019, 15:00, Torneo Regional Federal Amateur, Etapa Final, Región Patagónica vs Región Pampeana Sur, Rückspiel, Finale (Hin: 0:2)

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