Chau, Diego

27.11.2020 - Bericht von der Trauerfeier

Gestern wurde Diego Maradona in Buenos Aires beigesetzt. Viele, die Abschied von ihrem Idol nehmen wollten, kamen aber nicht dazu.

von Christian Piarowski

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Ein Abschied ganz im Stile Diegos. So war es gleich mehrfach auf der Straße zu hören, kurz nachdem sich die Emotionen wieder beruhigt und das Tränengas sich verzogen hatte. Denn so wie Maradona zu seinen Lebzeiten auf und neben dem Spielfeld polarisiert und emotionalisiert hatte, ganz so verlief auch die Trauerfeier für einen der größten Idole Argentiniens. Schon nachts strömten tausende Menschen zur Plaza de Mayo vor dem Regierungspalast Casa Rosada, warteten stundenlang, um einen Blick auf den Sarg zu erhaschen und ein letztes Dankeschön murmeln zu können. Seit den Morgenstunden sorgten die Trommler von „La Doce“ für ihre eigene Show, feierten sich und ihre engen Beziehungen zu Diego.

 

Dennoch verlief lange alles friedlich, auch wenn es teils Unmut und Rangeleien gab, wenn „Barras Bravas“ meinten, sich, wie sie es in ihren Stadien gewohnt sind, gewaltsam Vortritt nehmen zu müssen oder Kontakte im Sicherheitsdienst nutzten, um in die Casa Rosada zu kommen. Rafael Di Zeo, berüchtigter ehemaliger Anführer von “La Doce” und Freund Maradonas, dem der Zugang zu den Stadien verwehrt ist und der noch einige Verfahren am Hals hat, nahm sogar mitten im Regierungssitz an der privaten Zeremonie der Familie teil, wie der Kenner der Szene Gustavo Grabia berichtet. Dazu ließ sich die Polizei der Stadt zu einem unseligen Einsatz hinreißen, der durchaus als Provokation verstanden werden kann. Nun streiten sich beiden Politiklager, wer die Schuld trägt an den Jagdszenen mit Tränengas und Gummigeschossen auf der einen sowie Stein- und Flaschenwürfen auf der anderen Seite.

 

Es wird nun gestritten, wer mehr politisches Kapital aus Diegos Tod ziehen wollte, die aktuelle peronistische Landesregierung mit der Zeremonie im Zentrum ihrer Macht oder ihre politischen Gegenstreiter aus dem konservativ-liberalem Lager, die die Hauptstadt regieren und für den Polizeieinsatz verantwortlich waren. Denn alles, insbesondere die Leidenschaft um den Fußball, ist in Argentinien irgendwie auch ein politisches Thema. So ist sie die Welt des Fußballs in Argentinien: leidenschaftlich, chaotisch, widersprüchlich und etwas verrückt, eben genau so, wie es die Welt des Diego Maradona war. Der Abschied hätte gar nicht anders verlaufen können.

 

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Der Artikel erschien auch bei:

>>Erlebnis Fussball<<

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