90 Minuten Freiheit
12.09.2008 - Fußball als Resozialisierungsprojekt
Sie fahren in Handschellen zum Fußballplatz und ihre Spiele werden von mehr Polizisten beobachtet als von Zuschauern: die Spieler von "Defensa de Dolores" bilden gewiss eines der außergewöhnlichsten Fußballteams in Argentinien.
von Christian Piarowski
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Sie fahren in Handschellen zum Fußballplatz und ihre Spiele werden von mehr Polizisten beobachtet als von Zuschauern: die Spieler von "Defensa de Dolores" bilden gewiss eines der außergewöhnlichsten Fußballteams in Argentinien – Sie alle sind überführte Straftäter und Insassen der Justizvollzugsanstalt von Dolores (Provinz Buenos Aires, etwa 200 km südlich der argentinischen Hauptstadt).
Seit etwa einem Monat nimmt das Team, das aus Gefängnisinsassen besteht am regulären Spielbetrieb der Liga Dolorense de Fútbol teil. Dabei konnte die Elf bereits zwei Mannschaften der Liga besiegen. Sollte das Sicherheitsministerium das OK geben und Defensa die Liga gewinnen, winkt sogar ein Startplatz in einem offiziellen Turnier des argentinischen Fußballverbandes (AFA). Doch mit der eventuellen Teilnahme am Argentino C, der 5. Liga sind die Urväter des Projekts nicht zufrieden, ihr ehrgeiziges Ziel ist die 2. Liga, die Nacional B.
"Die Idee besteht darin, die Teilnehmer zu resozialisieren. Der Fußball fungiert dabei als wichtiges Instrument, damit die Häftlinge lernen, Regeln zu respektieren.", so Marcelo Rodríguez, Direktor des Gefängnisses von Dolores. Zusammen mit dem Staatsanwalt Luis Nitti und dem Fußballtrainer César Barragán bildet er das Trio, das hinter dem Projekt steht.
Nachdem alle wichtigen Formalitäten erledigt waren, hatten die drei alle Gefängnisse der Provinz dazu aufgerufen, die aussichtsreichsten Kandidaten nach Dolores zu verlegen. Doch nicht jeder kommt ins Team. Nur Kandidaten, die sich durch gute Führung ausgezeichnet und keine Schwerverbrechen begangen haben sowie obendrein das notwendige fußballerische Talent vorweisen können, dürfen sich das grüne Trikot überstreifen. Zu Beginn bestand der Kader aus 30 Spielern. Mittlerweile sind es nur noch 16, denn einige Kicker wurden entweder in die Freiheit entlassen oder aufgrund von Disziplinarverstößen ausgemustert.
Einen individuellen Erfolgsbericht gibt es auch bereits: im Freundschaftsspiel gegen die Reserve-Mannschaft von Estudiantes de La Plata (1:3) gelang Cristian López der einzige Treffer. López, der wegen Raub einsitzen muss, wurde daraufhin vom Drittligisten Alvarado de Mar del Plata verpflichtet. Er verlässt das Gefängnis täglich zwischen 10:00 und 18:00Uhr, um mit dem Team zu trainieren und ist am Wochenende bei den Spielen dabei. Zum Auftakt des Torneo Argentina A beim Spiel gegen den ehemaligen Erstligisten Huracán de Tres Arroyos stand López sogar im Kader. Sein Vorbild machte Schule und die Disziplin in den Haftanstalten soll sich verbessert haben, da weitere Insassen sich mit guter Führung einen Platz im Team verdienen wollen. Man darf gespannt sein, wie sich das Projekt weiterentwickelt.